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Kino im Kopf: Meine Art, die Bibel zu lesen.

17. August 2012

Als kleiner Junge hatte ich eine ziemlich lebhafte Phantasie. Wenn ich Karl May las, hörte ich die Kugeln durch die Luft pfeifen und ich roch den Rauch der Lagerfeuer zwischen den Zelten. Wenn ich mich in Robinson Crusoe vertiefte, fühlte ich den warmen Seewind und die tropische Luft war erfüllt mit dem Geschrei bunter exotischer Vögel. Auch bei der Bibel, die ich damals auch wie eine spannende Abenteuergeschichte las, ging es mir ähnlich. Ich hatte bildlich vor Augen, wie die Patriarchen mit ihren Herden durch die staubige Steppe zogen oder wie David im Hof seines Vaterhauses zum König gesalbt wurde.

Kino im Kopf. Im Grunde ist es bis heute so geblieben. Ich bin wohl nichts anderes als ein in die Jahre gekommener kleiner Junge. Aber ich finde das garnicht mal schlecht! Das mit dem Kino im Kopf, meine ich. Es ist immer noch meine „Methode“, die Schrift zu lesen. Es ist für mich eine Möglichkeit, Gott zu mir sprechen zu lassen. Bestimmt nicht die einzige, aber eine einfache und auch für Glaubensanfänger machbare. Ich habe meinen Weg schon mehrfach weiter empfohlen. Besonders dann, wenn Leute Probleme hatten, eine Antwort Gottes auf ihre Gebete wahrzunehmen. Schließlich ist nicht jeder ein Mystiker und nicht jeder hat die Gabe, den Willen und Zuspruch Gottes in Visionen oder Auditionen vermittelt zu bekommen.

Also:
Am Anfang steht ein kurzes Gebet, die Begrüßung des Herrn (bei Zweiflern: „Gott, wenn es dich gibt…“, das ist auch schon Gebet und es ist ehrlich) und die Bitte an ihn, durch die Heilige Schrift zu mir zu sprechen.

Dann kommt die Lesung eines kurzen Sinnabschnittes, meistens sind die Bibelausgaben ja ganz gut mit Überschriften gegliedert. Nicht zu viel auf einmal! Wenn es sich um einen Text mit einer Handlung (z. B. einen Evangelientext) oder um ein Gleichnis handelt, versuche ich mir bildlich vorzustellen, was da geschieht. Dabei nehme ich den Text erst mal so, wie er da steht. D. h. ich frage nicht, ob das alles historisch korrekt widergegeben ist. Das Historische interessiert mich zwar auch, hat aber hier nicht seinen Platz.
Ich überlege, was wohl in den einzelnen Beteiligten vor geht. In Jesus, in den Jüngern und Aposteln, in den übrigen Leuten, den Sympathischen, den Unsympathischen, den Zweiflern, den Dessinteressierten… in mir. Bin ich einer von denen? Finde ich mich vielleicht sogar in verschiedenen Rollen wieder? Wenn es eine andere Textgattung als eine Erzählung mit einer Handlung ist und die Worte nicht aus sich heraus unmittelbar auf mich wirken, frage ich mich, was wohl in dem Schreiber dieses Textes vorgegangen sein mag. Warum war ihm dieses Thema wichtig, warum hatt Gott gewollt, dass er gerade das aufschreibt?

Will mir der Heilige Geist damit etwas sagen? Oder nicht? Oder jetzt nicht? Muss ja nicht immer sein, dass er einen mit Erkenntnissen bombardiert. Es gibt ja auch mal ruhigere Phasen im Leben.

Dann schließt sich ein „Danke“ an, vielleicht auch Fürbitten oder etwas Persönliches, und ein Gebet als Abschluss, vielleicht das Vaterunser.

Ich halte diesen Weg auch für in Glaubensdingen Unerfahrene für machbar. Ich selbst gehöre ja auch nicht zu den Superfrommen, bin eher so ein ewiger Anfänger.

Skeptiker werden einwenden, dass bei der Metitation mittels der eigenen Phantasie doch die psychische Verfassung zum Zuge kommt, dass der eigene Vogel lauter pfeift als die oft leise Stimme des Heiligen Geistes. Das streite ich garnicht ab. Wichtig ist nur, dass man nicht im eigenen Saft schmoren bleibt. Dass man sich mit anderen Christen austauscht, auch andere Stimmen (z. B. Predigten oder sonstige Auslegungen) zur Kenntnis nimmt. Schließlich: Auch die Evangelisten haben die Heilsgeschichte sehr verschieden wahrgenommen. Lukas betonte das Wirken des Heiligen Geistes und die Mahnung nach sozialer Gerechtigkeit, Matthäus schrieb aus der schmerzhaften Erfahrung der Trennung von christlicher und jüdischer Gemeinde heraus, Markus waren die Wundertaten Jesu besonders wichtig, Johannes geht einen ganz anderen Weg…

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